Gute Erhebungsmethoden sind nur die halbe Miete
Es kommt vor allem auf die Analyse an
Viel wichtiger ist es uns, wie er sich verhält:
- Kauft er schließlich oder nicht?
- In welcher Menge und zu welchem Preis?
- Empfiehlt er das Produkt weiter?
- Spricht er überhaupt darüber?
- Wie spricht er darüber?
All diese Fragen sind verhaltensbezogene Fragen, die wir mit unterschiedlichen Methoden messen können.
Erst im zweiten Schritt fragen wir uns, warum er sich so verhält.
Zwischen Meinung und Verhalten können Lichtjahre liegen.
Messen ist besser als befragen
In der Entwicklung anfassbarer Produkte ist es etwas komplizierter und aufwändiger. Besonders die großen Unternehmens leisten sich hier sehr ausgefeilte Testdesigns, die aber ebenfalls zum Ziel haben, Präferenzen zu messen und nicht abzufragen. In diese Kategoerie fallen beispielsweise die sogenannten „Car Clinics“ und im Dienstleistungsbereich Testmärkte, also Supermärkte, in denen man tatsächlich einkaufen kann, aber dabei sehr intensiv beobachtet wird. Diese Kategorie ist der Grafik als „Experiment“ bezeichnet, da alle steuerbaren Einflussparameter solange kontrolliert orchestriert werden können, bis ein optimales Ergebnis vorliegt.
Diese beiden Varianten sind quantitative Methodenansätze, weil über eine möglichst große Zahl und statistische Auswertungsmethoden Erkenntnisse gewonnen werden. Überhaupt ist die übliche, etwas verwirrende Unterscheidung zwischen „quantitativ“ und „qualitativ“ lediglich die der zugrunde liegenden Fallzahlen: je weniger, desto qualitativer – was natürlich Unsinn ist. Auch quantitative, d.h. mit hohen Fallzahlen operierende Untersuchungsdesign liefern „qualitative“ Ergebnisse (was allerdings nichts über die Brauchbarkeit aussagt). „Qualitativ“ ist im allgemeinen Sinne eher mit „intensiv“ oder „kategorial“ gleichgesetzt. Wenige Fälle können eben sehr viel genauer, intensiver und hinsichtlich ihrer kategorialen Einordnung untersucht werden. Analog zu einem Biologen, der auf einer unendeckten Insel eine neue Pflanzenart zunächst anhand weniger Exemplare sehr genau untersucht, analysiert der Sozialforscher Phänome zunächst anhand einiger weniger Fälle, bevor er mit statistischen Methoden Häufigkeiten und Verteilungen bestimmt.
Beobachten statt Befragen
Es gibt nur wenige „qualitative“ Methoden, die Verhalten zu erforschen versuchen. Eine davon ist die Ethnographie. Früher hätte man hierzu wahrscheinlich „teilnehmende Beobachtung“ gesagt – aber neue technische Möglichkeiten schaffen eben auch veränderte Begriffe. Die ursprünglich aus der Ethnologie stammende Methode wird mittlerweile verstärkt auch in der heimischen Marktforschung eingesetzt, was auf einen erweiterten Kulturbegriff im Sinne von „Subkultur“ oder auf das unbestimmt „Fremde“, was uns zum Zeitpunkt der Erforschung noch unbekannt ist, verweist. Wie auch immer, entscheidend bei der Methode ist, dass Kunden in ihrer Alltagsumgebung – sei es am Arbeitsplatz, in ihrem Auto oder zu Hause – beim Umgang mit dem zu untersuchenden Gegenstand zu beobachten, mit ihnen zu sprechen und diese Interaktion auf Video aufzuzeichnen, um es einer genauern Analyse zugänglich zu machen.
Bei der teilnehmenden Beobachtung bzw. Ethnograhie entsteht ein nicht unerhebliches Problem: Das Wissen des Probanden um die Beobachtung und die unvermeidbare Interaktion mit dem Beobachter. Jeder, der wissentlich schon einmal beobachtet wurde, weiß wie sich das anfühlt. Jeder, der das Gefühl hat, beobachtet zu werden, verhält sich anders als wenn er alleine wäre. Das ist eine Art Naturgesetz. Wie also kommt man an das unverfälschte, natürliche – wenn man so will – authentische Verhalten des Kunden? Die Antwort: Gar nicht. So enttäuschend diese Aussage vielleicht sein mag, so hoffnungsvoll soll die Nächste stimmen: Wir brauchen dieses unverfälschte und natürliche Verhalten überhaupt nicht. Denn erstens: Menschen können sich nur bis zu einem gewissen Grade und nur über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum verstellen. Und zweitens: Die Art und Weise wie wir uns verstellen ist selbst aufschlussreich genug.
Marktforschung hat zwei Komponenten: Erhebungsmethode und Auswertungsmethode. Bei quantitativ angelegten Forschungsdesigns ist die Frage der Analyse in die Erhebung integriert: Eine quantitative Studie hat immer Zahlen und Statistiken als Ergebnis. Darauf ist das Studiendesign ausgelegt: Eine große Menge von Kunden standandisiert, also nach einem einheitlichen Vorgehen zu befragen. Dieses Vorgehen sagt freilich nichts über die Korrektheit der Ergebnisse. An dieser Stelle soll der sehr aufschlussreiche Verweis auf die „Probleme in der Meinungsforschung“ im Wikipedia-Beitrag zur Meinungsforschung genügen. Eine weitere Frage, die sich aus der quantitativen Erhebung ergibt, ist die nach der Interpretation der Ergebnisse. Aber auch diese soll hier nicht weiter vertieft werden.
Die Auswertung qualitativ erhobener Daten ist für die meisten Forscher ein ungelöstes Problem
Nun ist es nicht so, dass es keine geeigneten Verfahren der Bedeutungsanalyse gäbe. Eines davon ist die objektive Hermeneutik. Die objektive Hermeneutik ist eine Methode zur Rekonstruktion objektiver Bedeutungsstrukturen in Texten. „Texte“ sind dabei festgehaltene, d.h. protokollierte soziale Interaktionen. Genau so muss man eine Erhebung im Rahmen einer Marktfoschung verstehen: als eine in sich erklärbare soziale Interaktion. Sobald man die Einflüsse durch die Erhebung auf die Realiät nicht mehr als störend wahrnimmt, sondern als Teil einer Interaktion, werden die „Störungen“ erklärbar und lassen Blick auf die tatsäschliche Realität zu. Es würde an dieser Stelle viel zu weit führen, die objektive Hermeneutik zu erläutern. Wichtig ist die lediglich die umso weitreichendere Erkenntnis, durch ein geeignets Analyseverfahren, Einflüsse bei der Erhebung erklärbar zu machen. Die dadurch entstehende Rückkopplungseffekte auf die Erhebung ergeben ein rundes, weil komplettes qualitatives Forschungsdesign.
Ziel der Erhebung ist es, die für die gewählte Analysemethode bestmöglichen Daten zu liefern. Sie ist ist somit nur die eine Seite einer Medaille, die zusammen mit der Auswertungsmethode ein Ganzes ergibt.
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