Kommunikation: Warum scheitern Projekte an einer Selbstverständlichkeit?
Viele Studien haben es gezeigt: Der mit Abstand wichtigste Grund für das Scheitern eines Projekts ist mangelnde Kommunikation. Dabei ist Kommunikation doch etwas, was wir alle von klein auf gelernt haben. Warum also scheitern Projekte an einer Selbstverständlichkeit?
Um den Antworten auf diese Frage ein gutes Stück näher zu kommen, widmen wir uns im Folgenden einigen grundlegenden Prinzipien des Projektmarketings. Es gibt viele Studien über die Gründe, warum Projekte scheitern. Unabhängig davon, mit welcher Methodik die Studien durchgeführt wurden und unabhängig davon, um welche Projekte es geht, der mit Abstand wichtigste Grund für das Scheitern eines Projekts liegt in der Kommunikation – genauer: der mangelhaften Kommunikation. Es sind meist nicht fachliche Gründe, es ist vielmehr die Unfähigkeit der Projektverantwortlichen, etwas zu tun, was wir alle von klein auf gelernt haben: zu kommunizieren. Das, was vermeintlich einfach, weil selbstverständlich scheint, entpuppt sich als besonders schwierig und kompliziert.
Menschliche Kommunikation ist alles andere als banal. Sie ist sogar außerordentlich komplex, so komplex, dass wir 15 bis 20 Jahre brauchen, um halbwegs erwachsen zu werden – Tendenz steigend. Das liegt nicht daran, dass wir biologisch besonders langsam wachsen. Im Gegenteil. Weil wir so lange brauchen, um uns in einem höchstkomplexen sozialen Geflecht zurechtzufinden, gibt uns die Natur die Zeit dazu, zu reifen, zu lernen und uns zu entwickeln. Es ist ja nicht nur die Sprache, die wir lernen müssen. Viel anspruchsvoller sind kultur- und milieuspezifische Regeln, Normen und Werte. Das braucht seine Zeit. Und genau genommen scheitern Projekte an dieser Komplexität, wenn es heißt, Projekte scheitern an mangelnder Kommunikation.
Projekte machen nicht alles besser. Sie verursachen sogar fast immer auch Schäden.
Projekte verändern Altes oder ersetzen es durch Neues. Dabei wird nicht immer alles besser, es entstehen auch Schäden, häufig genug: unvermeidbare Schäden. Ein neuer Flughafen verursacht Fluglärm, wo vorher keiner war. Ein Innovationsschub durch Robotertechnik vernichtet Arbeitsplätze. Eine neue Anwendungssoftware verändert manchmal Prozesse und immer die Gewohnheiten der Anwender. Fluglärm, Arbeitsplatzabbau, die Änderung von Gewohnheiten – all‘ dies sind Schäden, die nur dadurch entstehen, weil ein Projekt gelingt. Schäden eines Projekts sind vergleichbar mit Nebenwirkungen bei Medikamenten. Um akzeptabel zu sein, müssen die Vorteile überwiegen, die Nebenwirkungen dürfen ein verträgliches Maß nicht übersteigen. Fast jedes Projekt verursacht Schäden – manchmal ganz offensichtlich, manchmal eher versteckt. Die Suche nach den Schäden lohnt sich aber immer. Denn Widerstand gegen ein Projekt entsteht immer – ja, ausschließlich – an dessen Nebenwirkungen, an den Schäden.
Aus weichen Faktoren werden harte Fakten
Ich hatte das Glück, in einem meiner Workshops den Projektleiter eines der größten Projekte in der Geschichte Chiles kennenzulernen. Unter dem Namen Hidro Aysén sollten im Süden Chiles ab 2011 fünf große Wasserkraftwerke entstehen, die rund ein Viertel des gesamten Strombedarfs Chiles decken würden. Dieses Projekt hätte das südamerikanische Land zu einem Vorreiter in Sachen nachhaltige Energiegewinnung machen können. Doch im Sommer 2014 hat die chilenische Regierung das Projekt gestoppt. Das Projekt war gescheitert. Was genau passiert ist findest Du in diesem Beitrag.
Je größer und teurer ein Projekt ist – öffentliche Infrastrukturprojekte sind das beste Beispiel dafür –, umso mehr Widerstand erzeugt das Projekt, und zwar völlig unabhängig davon, ob das Projekt an sich sinnvoll ist oder nicht. Man kann über den weltweiten Fortschritt geteilter Meinung sein. Fakt ist: Allein dadurch, dass wir Menschen global betrachtet immer mehr werden, steigt der Ressourcenverbrauch und der Bedarf an Energie. Es geht bei der Energieerzeugung also um die Frage, wie sie möglichst ressourcenschonend und nachhaltig erzeugt wird. Wasserkraft in einem dünn besiedelten Gebiet ist zweifelsfrei eines der nachhaltigsten Konzepte überhaupt und sicherlich sinnvoller als herkömmliche Kohle- oder Gaskraftwerke oder die nicht vollständig beherrschbare Atomkraft. Warum also scheitert ein im Grunde grünes Projekt wie Hidro Aysén? Warum steht im Widerstand ausgerechnet Greenpeace an vorderster Front?
Stakeholder werden nicht bestimmt. Sie machen sich selbst dazu.
Wenn man sich den Fall Hidro Aysén genauer ansieht, wird schnell klar: Projekte scheitern nicht allein an mangelnder Kommunikation. Projekte scheitern vielmehr noch an nicht berücksichtigten Interessen, an offenen oder verdeckten Widerständen, an berechtigt oder vermeintlich wahrgenommenen Auswirkungen. Sie scheitern aber vor allem daran, dass die Auftraggeber und vielfach auch das Projektmanagement diese Auswirkungen ignorieren. So war es – sehr wahrscheinlich – auch beim Projekt Hidro Aysén in Chile. Die Verantwortlichen hatten nicht begriffen oder wollten nicht begreifen, dass mit dem Megaprojekt mehr oder minder starke Interessen und Befindlichkeiten großer Teile der chilenischen Bevölkerung betroffen sind.
Damit sind wir bei einem anderen grundsätzlichen Problem angelangt. Es geht um die Ansicht vieler Projektleiter, die meinen, sie könnten bestimmen, wer zu den Stakeholdern gehört, zu den Betroffenen eines Projektes, seien es Befürworter oder Gegner. Das ist jedoch ein weit verbreitetes Missverständnis. Menschen lassen sich nicht vorschreiben, ob sie für oder gegen ein Projekt sind. Sie sind es einfach. Und wenn sie dagegen sind, werden sie – ob das Projektmanagement das will oder nicht – ebenfalls zu Stakeholdern.
Dabei muss das Projekt noch nicht einmal gestartet sein. Eine Ankündigung reicht und schon entwickeln Betroffene Fantasien darüber, was da wohl kommen mag. Manche sehen die Dinge positiv, erkennen Chancen und Möglichkeiten. Andere sehen die Sache negativer, betonen Risiken und Nebenwirkungen. Wenn sich ein Projektleiter (wahlweise der Auftraggeber) die Schäden, die sein Projekt verursacht, nicht bewusst macht, bekommt er nie ein vollständiges Bild seiner Stakeholder. Und das heißt, dass er die Projektrisiken nicht vollständig erfasst hat.
Eine Frage der Geisteshaltung
Es ist mitunter Nachlässigkeit, manchmal Ignoranz und hin und wieder die pure Arroganz der Auftraggeber, die verhindern, dass die Nebenwirkungen und die dadurch entstehenden Risiken wahrgenommen werden. Es ist eine Frage der Geisteshaltung. Hidro Aysén ist dafür ein Beispiel. „Too big to fail“, hieß es, und: „Wir haben das Recht und die gute Sache auf unserer Seite.“ Das war wie eine Aufforderung zum Tanz für die andere Seite. Und die ließ sich nicht zwei Mal bitten. Abgesehen von den anderen Interessengruppen, die sonst noch mitspielen wollen bei derart gigantischen Projekten. Dem Projekt hat es nicht gutgetan und der guten Sache wahrscheinlich auch nicht.
Kennst Du auch Beispiele für Projekte, die an mangelnder Kommunikation, an der Fehleinschätzung der Interessen von Betroffenen, gescheitert sind? Schreibe mir. Ich würde mich freuen, denn wir lernen nie aus …
Das Tool, mit dem Du in 10 + 1 Schritten ein komplettes Kommunikationskonzept für Dein Projekt erstellst
Nutze das Tool und steige direkt ein – allein oder gemeinsam mit deinem Team. Dieses Tool erklärt detailliert jeden Schritt anhand zahlreicher Beispiele. Arbeite direkt im Buch oder übertrage die Arbeitsvorlagen auf ein Flipchart, um dein Team einzubeziehen.
Kreiere genau die Maßnahmen, die den Erfolg deines Projekts sichern. Kommuniziere dein Projekt – aber richtig!